Wirkmechanismen
Neuroathletiktraining ist als ein Trainingskonzept zu verstehen, das Erkenntnisse, Modelle und Prinzipien aus zahlreichen Bereichen der Neurowissenschaften kombiniert und in die Praxis integriert.
Mit anderen Worten: Beim neuroathletischen Training (NAT) geht es darum, auf der Ebene des Gehirns zu arbeiten, bevor oder während auf der Ebene der Muskeln und des Bindegewebes gearbeitet wird. Ziel ist es, das Gehirn in den Mittelpunkt zu stellen, wenn es darum geht, Schmerzen zu reduzieren und die Leistung zu verbessern.
Da im Grunde genommen neurozentriertes Training die Erkenntnisse aus der Neurologie/Neurowissenschaft nutzt und in die Trainingspraxis integriert, ist der Begriff angewandte oder funktionelle Neurologie ebenfalls gebräuchlich. Manche Trainer und Therapeuten differenzieren zwischen den verschiedenen Begriffen, ich verwende ihn auf dieser Webseite synonym.
Alles, was sie jemals in ihrem Leben gefühlt oder getan haben, ist auf die Funktion ihres Gehirns zurückzuführen. Auf der grundlegendsten Ebene bestimmen die komplizierten Feuerraten und Muster ihres Gehirns sowohl, wer sie gewesen sind, als auch, was noch wichtiger ist, wer sie sein werden. Auf der grundlegendsten Ebene stellen alle menschlichen Veränderungen Veränderungen im Nervensystem des Einzelnen dar. Alles, was wir sind, wird vom Gehirn bestimmt.
– Dr. Eric Cobb
Neuroathletiktraining ist eine sehr aufregende und dynamische Art des Trainings, die Ihre Sichtweise auf Lernen, Schmerzen, Training, Therapie, Reha und Bewegung für immer verändern wird.
Neuroathletiktraining basiert auf einer holistischen Betrachtungsweise von Training und Therapie. Dabei steht der Mensch mit seinem Ziel im Zentrum, welches durch möglichst optimale Trainings- oder Therapiereize erreicht werden soll. «Optimal» umfasst in diesem Zusammenhang sowohl verschiedene interne als auch externe Faktoren. Es sollten die aktuellen und individuellen Gegebenheiten des Menschen und dessen Ziel- und Problemstellung sowie leistungsphysiologische, leistungspsychologische, bindegewebsphysiologische, als auch neurophysiologische Aspekte berücksichtigt werden.
Menschliches Gehirn – linke und rechte Hemisphäre – superior-laterale Ansicht
John A Beal, PhD, Dep't. of Cellular Biology & Anatomy, Louisiana State University Health Sciences Center Shreveport
Motorisches Lernen ist ein weiterer Bereich der Bewegungs- und Neurowissenschaften, welcher sich mit dem Lernen von Bewegung in unterschiedlichen Kontexten auseinandersetzt. Die Erkenntnisse aus diesem Forschungsfeld haben wichtige Implikationen für das Coaching von Bewegung und für die Bestimmung von Trainingsparametern. Neurozentriertes Training berücksichtigt deshalb aktuelle Erkenntnisse aus dem Bereich Motor Learning wie der «OPTIMAL-Theorie». OPTIMAL steht für „Optimizing Performance Through Intrinsic Motivation and Attention for Learning“. Das Zentrum bilden zwei motivationale Faktoren und ein aufmerksamkeitsbezogener Faktor. Trainer und Therapeuten sollten diese Aspekte bei der Anleitung von Übungen und beim Feedback berücksichtigen – der Lernerfolg ist dadurch nachweislich höher.
Im Zentrum des Neuroathletiktrainings steht ein bewusster Wechsel der Perspektive, bei dem jeder Output des Gehirns (Leistung, Bewegung, Körperfunktionen und Symptome) durch eine «neurologische Linse» betrachtet wird. Dieser Perspektivenwechsel erlaubt es, die Steuerzentrale Nervensystem bei Problemanalysen, Lösungsansätzen und Trainingsinputs explizit zu berücksichtigen. Schon deshalb ist NAT eine bereichernde Ergänzung zu bereits bestehenden Trainings- und Therapiekonzepten- und Methoden.
"Indem ich das erweiterte biopsychosoziale Modell, die Erkenntnisse der Schmerzwissenschaft, sowie die Erkenntnisse aus Verhaltens- und Kognitionswissenschaft zu berücksichtigen versuche, stehe ich für einen Paradigmenwechsel von der rein biomechanischen, zur neuro-biomechanischen, hin zu einer holistischen Betrachtung auf den Menschen."
Für gewöhnlich geht es dabei nicht um Selbstoptimierung, sondern um eine Balance aus An- und Entspannung des Nervensystems. Denn sowohl Bewegung als auch Schmerzen entstehen im Gehirn.
Z-Health ist eine Denkmethode, die sehr systematisch durch verschiedene Bereiche des Körpers führt, um Rezeptoren, periphere Nerven, Rückenmark, Kleinhirn, Hirnstamm, Thalamus, Kortex und die Insula zu bewerten. Auch geht es nicht um spezifische Tools, obwohl wir ggf. eine ganze Reihe von Werkzeugen und spezifischen Drills hintereinander oder gleichzeitig benutzen. Den Umgang mit Werkzeugen könnten Sie jedoch auch Anderorts, im Internet und/oder aus verschiedenen Büchern lernen.
Für viele Menschen ist ein neurozentriertes Konzept zunächst schwer zu begreifen, und je nachdem, wie es präsentiert wird, kann es als weit hergeholt und übertrieben erscheinen. Doch sowohl die Neurowissenschaft als auch die Schmerzforschung der letzten Jahrzehnte unterstützen dieses Konzept als Tatsache, und es gibt mittlerweile eine Unmenge von Studien, die dies belegen.
Oftmals werden Sie einen Bewegungsumfang und eine Mobilität in Ihren Gelenken erleben, die Sie seit Jahren nicht mehr hatten. Dieser Bewegungsumfang ist in der Regel um einiges größer als bei herkömmlichen Trainingsmethoden und -systemen, selbst nach Jahren des Trainings.
Sie werden wahrscheinlich Bewegungsmuster freisetzen, die seit Jahren stagnieren. Alle Arten von Schmerzen, einschließlich Rückenschmerzen, Knieschmerzen und IT-Band-Schmerzen, können in einem Bruchteil der Zeit, die für die herkömmliche Art des Trainings benötigt wird, reduziert oder beseitigt werden.
Die Herausforderung besteht darin, herauszufinden, wie Ihr einzigartiges Gehirn und Nervensystem funktioniert. Das kann oft nur ein paar Minuten dauern, aber manchmal muss man verschiedene Ansätze ausprobieren. Hat man jedoch erst einmal herausgefunden, was funktioniert, können die Ergebnisse verblüffend sein, und die Herausforderung besteht darin, einen Weg zu finden, die notwendigen Übungen in das eigene Leben zu integrieren. Denn so wertvoll die Effizienzsteigerung auch sein mag, ein gewisses Maß an Arbeit ist für dauerhafte neuronale Veränderungen in der Regel unvermeidlich.
Komplexität
Bis heute ist eine solche Ausbildung aus mehreren Gründen für die breite Masse mehr oder weniger unzugänglich. Zunächst einmal kann einem dieses Studium als eine sehr harte Ausbildung erscheinen, denn man muss von Anfang an viel über das Gehirn wissen.
Das Currikulum der Ausbildung von Z-Health umfasst elf Kurse sowie ein Master-Trainer Programm. Ich bin jetzt seit fünf Jahren dabei, lerne immer noch jeden Tag dazu und weiß, dass das, wie ich finde schönerweise, auch nicht mehr aufhört. Wegen des ganzheitlichen Ansatzes ist es hilfreich, wenn man sowohl einen psychologischen als auch medizinischen Hintergrund hat. Für einen Physiotherapeuten oder jemanden, der keinen medizinischen/neuroanatomischen Hintergrund hat, ist es anfangs wirklich schwer, das Konzept zu verstehen, und ich "musste" entsprechend viel arbeiten. Andererseits war ich so begeistert, dass ich auch nicht mehr aufhören kann weiterzulernen. Außerdem ist die Ausbildung nicht billig. Es gibt nicht viele die so viel Geld und Zeit in ein solches Studium investieren, weshalb wohl auch bei Z-Health die meisten nicht das vollständige Curriculum der Z-Health University durchlaufen. Obwohl Z-Health in den letzten Jahren versucht hat, die Schulungen mehrsprachig anzubieten, ist die Übersetzung des Materials leider häufig noch oft fehlerhaft, so dass die Kurse letztlich doch nur zu verstehen sind, wenn man über gute Englischkenntnisse verfügt. Viele der ausgebildeten Trainer arbeiten indessen nur mit denjenigen, die durch die Tür kommen, so dass sie in größerem Rahmen zur Zeit nicht viel Aufmerksamkeit erhalten. Aber wir versuchen, das zu ändern.
Aktivierung und Brennstoff
Das Nervensystem funktioniert nach dem Prinzip «Use it, or Lose it» und ist stets abhängig von einer ausreichenden Brennstoffversorgung. Zwei Grundlagen, welche im NAT fundamental verankert sind.
Input - Verarbeitung - Output
Das Nervensystem empfängt Informationen aus der Umwelt und dem Körper als sensorischen Input. Der sensorische Input wird im zentralen Nervensystem verarbeitet und integriert. Auf der Grundlage dieser sensorischen Informationen wird auf unbewusster und/oder bewusster Ebene eine Entscheidung darüber getroffen, welche Leistung für die aktuelle Situation angemessen ist. Schließlich gibt das Zentralnervensystem den Befehl an die Effektororgane in Form einer motorischen Leistung. Konventionelle Trainingsmethoden sind stark auf den motorischen Output, das Ende der neuronalen Schleife, ausgerichtet. Neuroathletiktraining berücksichtigt explizit auch die Bereiche des Inputs und der Verarbeitung, die die Grundlage für den Output bilden.
Inputsysteme
Damit unser Gehirn Bewegungen präzise steuern kann, ist es auf sensorische Informationen aus der Umwelt und dem Körperinneren angewiesen (Sensomotorik). Vergleichbar mit den Satelliten eines GPS, sind verschiedene Eingabesysteme des menschlichen Körpers für die Übermittlung der notwendigen, präzisen Bewegungsinformationen zuständig. Dazu gehören das visuelle System (Augen), das vestibuläre System (Gleichgewichtsorgan im Innenohr) und das propriozeptive System (Körperwahrnehmung). NAT erkennt an, dass die Inputsysteme als Grundlage für eine optimale Bewegung systematisch trainiert werden können und dass Defizite in den Inputsystemen zu Schmerz-, Bewegungs- und Leistungseinschränkungen führen können.
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Motorische Kontrolle
Ein Teilgebiet der Neurowissenschaften beschäftigt sich mit der Steuerung von Bewegung durch das Gehirn, der motorischen Kontrolle. Beim neurozentrierten Training (NZT) fliessen Erkenntnisse zur Steuerung von willkürlich und reflexiv ablaufenden Bewegungsaspekten und Kontrollmechanismen gezielt mit ein.
Das Modell der 8 Ebenen
"Das 8 Level Modell" ist ein auf Neuroanatomie beruhendes Denkmodell. Es hilft dabei, komplexe Ziel- oder Problemstellungen aus neuroanatomischer und neurofunktioneller Sichtweise zu Analysieren und individuelle Lösungswege zu finden. Die 8 Ebenen sind:
- Rezeptoren
- Periphere Nerven
- Rückenmark
- Kleinhirn
- Hirnstamm
- Thalamus
- Kortex
- Inselrinde
Das nützlichste Konzept dieses Modells besteht darin, dass es ein klares Verständnis dafür vermittelt, was in den neuronalen Kreisläufen des Körpers richtig und falsch laufen kann. Es dient als Analysewerkzeug, das mit gleicher Klarheit angewandt werden kann, unabhängig davon, ob das angestrebte Ergebnis eine Verbesserung der Befindlichkeit, eine Verringerung der Schmerzen oder eine Verbesserung der Leistung ist.
Bedrohungsneuromatrix
Das Konzept der Bedrohungsneuromatrix stammt in erster Linie aus den Schmerzwissenschaften und beschreibt die Art und Weise, wie unser Nervensystem seine primäre Funktion ausübt, nämlich unser Überleben zu sichern. Jeder Trainings- und Therapieinput wird im Nervensystem auf der Ebene Verarbeitung durch den Filter der Bedrohungsneuromatrix auf Sicherheit hin bewertet. Die grosse Frage zu jedem Zeitpunkt in jeder Situation lautet immer: «Ist es sicher?». Für optimale Bewegung, Leistung und Trainingsadaptationen muss diese Frage unbedingt mit Ja beantwortet werden können. Die Berücksichtigung der Bedrohungsneuromatrix scheint deshalb ein wichtiger Aspekt bei der optimalen Auswahl und Dosierung von Trainings- und Therapiereizen zu sein. Das neurozentrierte Trainingskonzept bietet erste Ansätze für die Praxis, wie die hoch individuelle Bedrohungsneuromatrix in Training und Therapie berücksichtigt werden kann.
Bewegung
Egal ob leistungsphysiologische, bindegewebsphysiologische oder neurophysiologische Überlegungen im Zentrum eines Trainingsreizes sind, Training und Trainingsziele gehen praktisch immer mit Bewegung einher. Deshalb steht Bewegung im Zentrum dieser Abbildung. Das NZT legt hier seinen Fokus stark auf die Hintergründe, Steuermechanismen und das Zustandekommen von Bewegung.
Anpassung
Ein Trainingsreiz soll per Definition zu kurz- und langfristigen Anpassungen in verschiedenen Körpersystemen führen. Aus neurozentrierter Perspektive gilt es zu beachten, dass jeder Trainingsreiz, ob gezielt oder per Zufall, auch zu kurz- oder langfristigen Anpassungen im Nervensystem führt. Diese Anpassungen im Sinne von Neuroplastizität und Lernen, können sowohl positiv, als auch negativ sein. Das neurozentrierte Trainingskonzept will sicherstellen, dass Adaptationen auf jegliche Trainingsreize, egal ob leistungs-, bindegewebs- oder neurophysiologische Ziele im Zentrum stehen, zu positiven Veränderungen im Nervensystem führen oder zumindest negative Anpassungen im Nervensystem vermieden werden.
"Wissenschaftliche Kritik" versus Praxis und angewandte Neurologie
Schenkt man Wikipedia glauben, dann gilt die Wirksamkeit des neuroathletischen Trainings als nicht durch international wissenschaftliche Publikationen belegt und wird von daher von Wissenschaftlern und wissenschaftsorientierten Praktikern, als auch von vielen Trainern kritisch gesehen. Bereits in Studien zu allgemein durchgeführten propriozeptiv-neuromuskulärem Training konnte belegt werden, dass die Anzahl an Verletzungen über verschiedene Sportarten hinweg signifikant abnahmen, also einer Stimulierung die trotz eines in der Neuroathletik nicht gewünschtem"one size fits all" Ansatzes der überwiegenden Anzahl von Sportlern entgegenkam.
Dies ist verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass in der Neuroathletik sowohl der Sensorik, der Propriozeption als eben auch sämtlichen anderen Inputsystemen große Aufmerksamkeit widmet. Sportliche Leistung beginnt nun mal im Gehirn und dank der heutzutage gewonnenen neuroanatomischen und neurophysiologischen Erkenntnisse verstehen wir immer mehr darüber, wie neuronale Prinzipien und Prozesse unsere Leistung beeinflussen. Gehirn und Nervensystem sind wie unsichtbare Architekten und das Nervensystem steuert den gesamten Körper und beeinflusst ihre physische als auch psychische Gesundheit und macht sie zu dem Menschen der sie sind. Es wäre also genau genommen unplausibel wenn ein permanent individuell angepasstes Trainingsregime keine positiven Resultate hervorbringen würde.
Zudem wird manchmal noch behauptet, dass der Transfer von nicht spezifischen neuroathletischen Trainingsübungen auf spezifische Fähigkeiten nicht wissenschaftlich belegt sei. Jeder Neuroathletiktrainer wird jedoch, sei denn sein Athlet befindet sich noch in der Rehabilitationsphase, die sportartspezifischen Anforderungsprofile nicht nur berücksichtigen, sondern so übersetzen, dass die individuellen Maßnahmen in der jeweiligen Sportart auch tatsächlich ausgeführt werden. Der bekannte Neurathletiktrainer Lars Lienhard beschrieb es folgendermaßen: "Mit Handballern wird also Handball trainiert, mit Kugelstoßern wird Kugel gestoßen, und mit Stabhochspringern sollte Stabhochsprung trainiert werden, denn nur hier sind wir im spezifischen athletischen Kontext und können den Anforderungen wirklich gerecht werden. Wir arbeiten durch unseren Ansatz also mehr an der Optimierung der individuellen Technik und spezifischen Performance als man zunächst einem klassischen Athletiktrainer zusprechen würde." Ein gut ausgebildeter Neuroathletiktrainer wird also die manchmal zunächst unspezifischen individuellen Maßnahmen, mal früher mal später, in sportartspezifische verwandeln (perception-action coupling). Betrachten wir hierzu ein visuelles Beispiel. Zunächst müssen wir verstehen, dass wir mit dem Gehirn, und nicht mit den Augen sehen. Etwa ein Drittel des Gehirns ist damit beschäftigt, die Photonen des Lichts in Personen und Gegenstände deiner Umgebung zu verwandeln. Da das Gehirn das Bild basierend auf den eingehenden Signalen und Erfahrungswerten konstruiert, sind dabei optische Täuschungen einfach möglich, und zwar ohne dass wir diese bewusst wahrnehmen. Visuelle Fähigkeiten beinhalten neben der standardmäßig beim Optiker und Augenarzt getesteten statischen Sehschärfe auch die dynamische Sehschärfe und die Kontrastempfindlichkeit. Des weiteren macht das Gehirn eine Tiefenunterscheidung, es gibt unterschiedliche Augenbewegungsfähigkeiten bei der Fixierung und Verfolgung von Objekten und das periphere Sehen, welches mit dem Begriff 'peripheres Gewahrsein' jedoch besser beschrieben ist. Durch gezielte individualisierte Übungen können Defizite der visuellen Fähigkeiten und Verarbeitungsprozesse trainiert werden und dabei sind isolierte Assessments der Augen sowie Augenübungen nur der Anfang. Aufbauend versucht man den Drill so sportartspezifisch wie möglich an die Zielbewegung anzupassen. Bei Z-Health ist dies unter dem Begriff des SAID Prinzips (Specific Adaptation to Imposed Demands) bekannt. Das SAID Prinzip besagt, dass wir uns immer an genau das anpassen was wir tun. Der Hohe Stellenwert der Partizipation in der eigentlichen Sportart oder Zielbewegung, die in Sachen Spezifität nicht zu übertreffen ist, bleibt dabei unangetastet und unentbehrlich. Um wiederum die Wahrscheinlichkeit der Integration zu verbessern werden oftmals zusätzlich bestimmte Hirnareale gezielt adressiert. Bei Augenübungen zum Beispiel das Mittelhirn, das wiederum an anderen Aufgaben, wie beispielsweise der reflexiven Nackenstabilität, beteiligt ist.
Etwas andere Kritik kommt aus dem Lager der wissenschaftlichen Psychologie. Diese zielt meines Erachtens weniger auf das Neuroathletiktraining im Sport als auf mögliche Konkurrenz, nämlich Praktiker der neurozentrierten Therapie. Ähnlich wie bei kommerziellen kognitiven Trainingsinstrumenten, deren Wirksamkeit gering oder oftmals gegen Null geht, wird ein positiver Übertrag von zusätzlicher kognitiver Last in der wissenschaftlichen Psychologie nicht als realistisch angesehen. Deshalb bestünden Zweifel ob neuroathletisches Training tatsächlich die sportartspezifischen Fähigkeiten verbessert oder ob die trainierten Spieler nicht viel mehr einem Placebo-Effekt unterliegen.
Hierzu ist zu sagen, dass die Addition kognitiver Last zu Trainingsregimes nicht nur zu gut dokumentierten Leistungssteigerungen bei eher durchschnittlichen Sportlern geführt hat, sondern, was überraschend ist, dies auch bei bereits – mehr oder weniger – austrainierten Spitzensportlern zu sehen war. Da zudem in der Rehabilitation nach Schlaganfällen das Hinzufügen kognitiver Last mittlerweile in vielen Kliniken bereits der Goldstandard geworden ist, sollte diese Argumentation obsolet geworden sein.
Jeder Input kann den Output verändern.
Alles kann eine Rolle spielen.
Fazit zur Neuroathletik
Bewegung und Neurologie sind untrennbar miteinander verbunden. Deshalb ist jede Bewegung ein „Neurotraining“. Sich dieses Prozesses bewusst zu sein und ihn dann aktiv und zielgerichtet nutzen zu können, ist eine Bereicherung für jede Form von Training und Therapie. Der Mensch Ist ein an Komplexität kaum zu übertreffendes, holistisches Ökosystem, weshalb überwiegend biomechanische Betrachtungsweisen, die die bewegungssteuernden Systeme außer Acht lassen, oftmals zu kurz greifen. Die Integration zentralnervöser Prozesse Ist deshalb eine wichtige Änderung. 1976 schrieb ein britischer Statistiker den berühmten Satz:
Alle Modelle sind falsch, einige sind nützlich. – George Box
Der Historiker Yuval Noah Harari drückt es so aus:
Die Wissenschaftler sind sich im Allgemeinen einig, dass keine Theorie zu 100 Prozent richtig ist.
Der wahre Test des Wissens ist also nicht die Wahrheit, sondern der Nutzen.
Da kein einziges Weltbild in allen Situationen richtig ist, auch nicht das des neurozentrierten Trainings, besteht ein guter Ansatz, um gute Entscheidungen zu treffen, darin, eine breite Palette von mentalen Modellen der Welt zu entwickeln. Jedes „mentale Modell“ ist eine Art, über die Welt zu denken. Je mehr mentale Modelle Sie haben, desto mehr Werkzeuge haben Sie in Ihrem Denkwerkzeugkasten, um Entscheidungen zu treffen. Sie brauchen eine Sammlung von mentalen Modellen, denn kein einziges Modell kann in jeder Situation funktionieren.
Zu akzeptieren, dass alle Modelle in bestimmten Fällen falsch sind, ist kein Freibrief, die Fakten zu ignorieren. Wir leben in einer Welt voller Ungewissheit, aber wir müssen trotzdem Dinge erledigen und Entscheidungen treffen. Es liegt in unserer Verantwortung, eine Denkweise über die Welt zu entwickeln, die im Großen und Ganzen mit den uns vorliegenden Fakten übereinstimmt. Wenn wir also wissen, dass unser Gehirn kortikale Karten anlegt, sogenannte Repräsentationsareale auch «Homunculus» genannt, dann müssen wir das sowohl in der Rehabilitation als auch in der Fähigkeitenentwicklung von Sportlern und Büroathleten berücksichtigen. Wir haben eine Software die die Hardware verändert. Es ist kein Zufall und sehr gut erklärbar, dass sich die Verletzungswahrscheinlichkeit nach einer Knieverletzung in Bezug auf dasselbe Knie erhöht. Eine Rehabilitation sieht auf Grund der Erkenntnisse über Phantomschmerzen und anderem neuen Wissen deutlich anders aus, als vor 20 Jahren.
Elementar bleibt: Verletzungen, insbesondere sich wiederholende Verletzungen, sollen vermieden werden. Dabei geht es auch darum, Verletzungen vorzubeugen oder Rehamaßnahmen zu begleiten, um sich wiederholende Verletzungen zu vermeiden.
Das Gehirn und das Nervensystem werden hier als zentrale Elemente der Bewegungssteuerung im Training miteinbezogen. „So können große und bislang noch nicht genutzte Leistungsreserven des Athleten aktiviert und viele bewegungsinduzierte Verletzungen präventiv vermieden werden," erzählt Lars Lienhard und erläutert dies an einem Beispiel: „Wenn es zu einem Beckenschiefstand kommt, sind in den meisten Fällen alle bewegungssteuernden Systeme beteiligt. Wenn zum Beispiel eine Körperseite dem Gehirn mehr und präzisere Informationen liefert als die andere oder wenn ein Auge beziehungsweise ein Teil des Gleichgewichtssystems deutlichere und präzisere Informationen liefert als die übrigen, werden diese auch mehr benutzt. Folge: Der Körper verdreht sich. Der Schiefstand ist also abhängig von Aktivitätsmustern im Gehirn."
Und eben auf jene Aktivitätsmuster und die dadurch im Körper zu findenden Kompensationsmuster geht er mit seinem neuroathletischen Ansatz ein: „Bei immer wiederkehrenden Verletzungen liegen immer auch neuronale Steuerungsprobleme im Hintergrund vor.